Mittwoch, 25. November 2009

Das Thema Losgelassenheit des Pferdes


Losgelasseneheit ist ein vielfach fehlinterpretierter Begriff der Reitersprache, weil er oft mit Lösen verwechselt wird.
Richtiges und konsequentes Lösen eines Pferdes führt je nach Pferdetyp früher oder später zur Losgelassenheit seiner Muskulatur und im weiteren Dressuraufbau zur Durchlässigkeit.
Losgelassenheit ist die Grundlage der Reitpferdeausbildung und unabdingbare Voraussetzung für die Beherrschung der Muskeln für unwillkürlich zweckmäßige Bewegung, für freie Atmung, insgesamt also für Leistung und Erfolg der spätere Spezialisierung als Dressur-, Spring- oder Fahrpferdes.
Losgelassenheit ist weder etwas, was ein Pferd von Hause aus kann oder nicht kann noch etwas was es von Beginn seiner Grundausbildung schnell lernen könnte, sondern das Resultat von gymnastischer Übung und Erziehung. Richtig verstanden soll sowohl der Renngalopper in vollem Speed wie auch das durchtrainierte Fahrpferd oder das in hoher Versammlung piaffierende Pferd losgelassen sein. Und dafür ist höchste Anspannung bzw. Tätigkeit des gesamten Beuge und Streckmuskelsystems Bedingung. Ist unter reiterlicher Einwirkung die Fähigkeit zur Losgelassenheit erst einmal erlernt und dem Pferd zur Gewohnheit geworden, wird sie zu etwas Beständigem, ist also ab dann immer vorhanden, so fern sie nicht wieder durch mangelnde Übung, Unsicherheit, Schmerzen o.ä. Wieder verloren geht.
Losgelassenheit ist kein statischer Zustand! Ein Pferd das gerade den gymnastischen Anforderungen einer A Dressur Prüfung gerecht wird, verfügt nicht über die gleiche Losgelassenheit, (sprich Fähigkeit zur Muskelan- und Abspannung, wie ein Grand Prix Dressurpferd, dem ungleich höhere Tragkraft seiner Hinterhand abverlangt wird. Sofort verständlich wird das beim Vergleich mit dem Menschen: Ein Turner, der sich z.B zum Spagat trainiert benötigt dazu zweifellos eine losgelassene Muskulatur. Dennoch verfügt er zu nächst über einen geringeren Grad an Losgelassneheit, als ein Turner der den Spagat bereits ausführen kann.
Losgelassenheit beinhaltet nicht nur die Fähigkeit zum völlige Abspannen der Muskulatur, sondern auch das schwierigere Gegenteil: Die dem Pferd höchstmögliche Anspannung seiner Kräfte – und beides bei jeder ihm abverlangten Leistung! Das heißt auch bei der Geringsten z.B in seinem natürlichem Trab ohne Reiter muss das ununterbrochen im Sekunden Takt wechselnde An- und Abspannen der Muskeln mit der Regelmäßigkeit eines Uhrpendels erfolgen und ist sowohl Voraussetzung wie auch Garantie für den Geregelten Takt seines Ganges.
Bei Hochleistungen, wie z.B einer Galopppirouette, ist enormer Schwung also enorme Anspannung der Muskeln gefordert. Verliert das Pferd dabei seine Losgelassenheit, liegt das alleine daran, dass ihm aus Mangel an Kraft und Geschmeidigkeit das ruhige An- und Abspannen seiner Muskeln für eine derartige Anforderung (noch) nicht möglich ist.
Richtige Losgelassenheit bedeutet also nicht Spannungs- bzw. Haltungslosigkeit, sondern die völlige Hingabe der Kräfte an den jeweiligen Zweck. - was bei der Dressurarbeit jede Unterbrechung, des von den Hinterbeinen bis zu den Zügeln durch das Pferd hindurchfliessenden Schwunges ausschließt.
Voraussetzung für Losgelassenheit ist nicht nur, dass das Pferd jede Muskuläre Gegenwehr unterlässt, sondern auch, das kein teil seines Körpers wegen Steifheit, Ungeschicklichkeit oder wegen Fehlerhafter Einwirkung seitens des Reiters an der freien Entfaltung seiner natürlichen Bewegung behindert wird.
Die Kunst in der Reitpferdeausbildung liegt u.a. darin, Losgelassenheit gepaart mit Durchlässigkeit für fortgeschrittene Leistungeebenen zu erreichen bzw. zu erhalten. Dazu muss der Reiter ebenso einfühlsam wie fortgesetzt sein mit schwingendem Rücken gehendes Pferd treiben, um die Grenze der Momentanen Leistungsfähigkeit vorsichtig nach Oben zu verschieben. Das bedeutet zu gleich, dass er gerade um der Losgelassenheit Willen sein Pferd kontinuierlich versammeln muss.
Denn die Losgelassenheit beginnt, wenn die Hankenbeugung beginnt.


Der physiologische Effekt der Losgelassenheit:
Bei einer in den Hanken gebeugten Hinterhand üben die Kruppen- und Gesäßmuskeln einen stärkeren Zug nach Rückwärts auf die mit ihnen verbundenen Rückenmuskeln aus. Dabei dehnt sich die gesamte Streckmuskulatur von Sprung- Knie und Hüftgelenk über die Lendenpartie und Wirbelsäule bis zum Genick.
Die Hankenbeugung verhindert automatisch die dem Pferd gewohnte Gleichgewichtssituation und verlangt einem physikalischem Zwang zu folge den Gleichgewichtsausgleich. Dem kann das Pferd nur nach vorne leisten: durch ein Strecken von Hals und Kopf nach Vorwärts- Abwärts.
In dieser Körperhaltung, auch Dehnungsbereitschaft genannt, zieht das Nackenband die Rückenmuskeln in Entgegengesetzter Richtung, diese erhöhte Spannung, die elastisch ist und deshalb nichts mit Krampfhaftem festhalten zu tun hat, wird durch treiben in Anlehnung bzw. schwungvollen Gang erhalten. Und sie produziert eine hebelartige Wirkung des Halses und Kopfes auf die Hinterhand, deren Kraft sich dann im weiteren Ausbildungsverlauf von einer vorwärts schiebenden in eine tragende umwandelt.
Die Äußeren Anzeichen für den Beginn der Losgelassenheit sind der taktmäßige reine und freie Gang, der ruhig getragene und gleichmäßig pendelnde Schweif, das Abschnauben als Zeichen für unbeschwertes Durchatmen, das Abkauen, das Dehnen der Streckmuskulatur über die gesamte Wirbelreihe bis zum Genick, der schwingende Rücken, der den Reiter bequem sitzen lässt und mit in die Bewegung nimmt.
Deutliche Hinweise auf mangelnde Losgelassenheit sind ein schief getragener Schweif, Schweifdrehen (das oft mit Zähneknirschen einher geht, weil das betreffene Pferd sogar seine Kiefermuskeln krampfhaft festhält), so wie Taktmäßiges kauen, so wie Zungenstrecken, permanentes Schlauchgeräusch, Zackeln und Passgang.
Ähnlich dem Turner der durch konstante Dehnübungen letztlich Spagat beherrscht und ihn ab dann auf Kommando vorführen kann, ist auch beim Pferd Losgelassenheit wenn sie einmal erlernt und vom Reiter in der täglichen Dressurarbeit erhalten wird.


Allein die Definition dieses einzelnen Begriffes macht deutlich, wie schwer die Deutsche Reitlehre mit ihrer Ausbildungsskala zu verstehen und im Sattel umzusetzen ist. Aber das macht sie deshalb nicht weniger wahr und effizient. Das Problem ist nicht die Reitlehre, sondern Reitlehrer die sie nicht erklären können.


Richtiges Reiten light gibt es nicht!!!!!!!!!!!



5 Kommentare:

  1. Dazu gibts nur eins zu sagen:

    AMEN!

    AntwortenLöschen
  2. Du weißt schon, das ein Pferd ein Wesen ist und eine Psyche hat? Rmm,rmm- tutut. Wo ist der Knopf der losgelassen tut?

    AntwortenLöschen
  3. Skessa, was genau möchtest du damit sagen?
    Für die Psyche meiner Pferde brauche ich an sich keine Knöpfe drücken.
    Hätte auch noch keine Knöpfe an meinen Pferden Gefunden.
    Ansonsten kann ich stolz vermelden, das es meinen 4 Pferden im Bezug auf die Psychologische Betreuung ausgezeichnet geht.
    Monatag gibt es immer Gruppentherapie um das Wochenende gemeinsam aufzuarbeiten.
    Da sitzern wir gerne auf unserem neuen Teppischschnitzelplatz, damit die Pferde es Bequem haben.
    Dienstag machen wir dann gerne mal eine Familienaufstellung oder Klangschalentherapie.
    Mittwoch ist dann Sozialberatung. Meine 4 kommen alle aus einem sozial schwachen Umfeld und was nutzt die beste Therapie, wenn das soziale Netz nicht stimmt, gell?
    Donnerstag dann das Einzel und Freitag machen meine 4 hier immer Ergotherapie.
    Mir ist durch aus Bewußt, das ich mich angagieren muss, damit sie die Belastung meiner gruseligen Haltungsform und meines noch schlechteren Umganges mit ihnen irgendwie verkraften lernen.
    So weit sind die vier aber stabil.
    Das lasse ich mir regelmäßig Tierärztlich bestätigen.
    Was das aber mit dem Beitrag im Blog zu tun hat, verstehe ich nicht. Werde das aber gerne in der nächsten Gruppe mal ansprechen.

    AntwortenLöschen
  4. Toller informativer Blog Eintrag! Wann gibts den nächsten?

    AntwortenLöschen